Tamtam - Tamtam - Tamtam

Ich liege wach und lausche dem Rattern der Räder.

Tamtam - Tamtam - Tamtam

Mein Zug rauscht durch eine laue italienische Septembernacht südwärts.

Tamtam - Tamtam - Tamtam

Es ist das Jahr 2009 und ich bin 11 Jahre alt. Trotz dem beruhigenden Rattern der Räder, kann ich nicht schlafen, denn ich bin aufgeregt. Endlich wieder im Nachtzug! Endlich geht es wieder nach Süditalien!

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Schon als Kleinkind war ich Stammgast im italienischen Schlafwagen
Schon als Kleinkind war ich Stammgast im italienischen Schlafwagen

Ein erster Hauch von Abenteuer und Reiselust ist schon aufgestiegen, als unser blau-weisser Cisalpino-Neigezug in Basel eingefahren ist. Im Zug habe ich das erste Mal Italienisch gehört und schon bald hat meine Mutter den ersten echten italienischen Espresso bestellt. Fasziniert habe ich die zahlreichen Brücken und Tunnels in der Berglandschaft bestaunt, als sich der Zug die Gotthard-Nordrampe hochgewunden hat. Ich habe die Veränderung der Häuser beobachtet, als wir durchs Tessin gefahren sind und als wir in Milano Centrale angekommen sind, habe ich mich in einer anderen Welt gewähnt. Die grosse Bahnhofshalle, die vielen Menschen, die fremde Sprache und die vielen kitschigen Souvenirs haben mich in ihren Bann gezogen. Dann aber, nach einem guten Stück Pizza auf dem Bahnsteig, ist das wahre Highlight meiner Reise in die Ferien gekommen: der «Treno Notte».

Höhepunkt jeder Italienreise: der "Treno Notte"
Höhepunkt jeder Italienreise: der "Treno Notte"

Mit dem Nachtzug in den Süden

Auch wenn ich vor Aufregung wachliege: Der italienische Nachtzug ist mir vertraut. Seit ich denken kann, fährt meine Familie einmal im Jahr mit dem Nachtzug nach Süditalien. Jahr für Jahr steigen in Milano Centrale in den «Treno Notte» und fahren nach Lecce im italienischen Absatz, dem Salento. Schon immer heisst Nachtzug für mich deshalb Ferien in Italien und Ferien in Italien heisst für mich schon immer Nachtzug.

Ich freue mich deswegen schon auf die in Plastik eingeschweissten "Cornetto" und die UHT-Milch, die uns der Nachtzug-Schaffner am nächsten Morgen bringen wird. Für jetzt aber lausche ich dem Rattern der Räder.

Tamtam - Tamtam - Tamtam

Bald erreicht der Nachtzug Rimini. Davon kriege ich aber nichts mehr mit. Voller Vorfreude auf den nächsten Morgen und auf die Ferien im Süden, bin ich endlich eingeschlafen.

5 Jahre später und 500 Schienenkilometer weiter südlich, wache ich kurz vor 6 Uhr im Schlafwagen auf. Auch dieses Mal bin ich aufgeregt, denn es ist meine erste Nachtzug-Fahrt ohne meine Eltern. Die Reise fühlt sich nach Abenteuer und Selbständigkeit an, nach einem Aufbruch ins Erwachsensein. Ich bin genug alt, um alleine zu Reisen und darf dieses Erlebnis erst noch jemandem Neuem näherbringen. Im Bett über mir schläft mein bester Freund, der bis jetzt noch nie am Meer war und der noch nie im Nachtzug geschlafen hat. Gemeinsam fahren wir wieder in den Salento, wo meine Familie bereits seit ein paar Tagen in den Ferien ist.

Ich schiebe den Rollo etwas hoch und blinzle müde aus dem Fenster. Draussen zieht das Meer vorbei und glänzt in der rot aufgehenden Sonne. Noch lange nach dieser Fahrt ist das eine meiner schönsten und glücklichsten Erinnerungen.

Die InterCity Notte von Trenitalia

Heute, weitere 11 Jahre später, wache ich nicht mehr jedes Mal vor Aufregung auf, wenn ich Nachtzug fahre. Ich schlafe heute gut in Schlaf- und Liegewagen, Oropax und Augenmaske sorgen für die nötige Ruhe.

Gerade in den Italienischen InterCity Notte fühle ich mich unterdessen wie zu Hause. Noch immer fahre ich jedes Jahr mit dem Nachtzug von Milano nach Lecce, unterdessen sogar bis zu sechs Mal im Jahr, denn ein Teil der Familie lebt unterdessen im Salento. Mit dem «Treno Notte» habe ich in den letzten Jahren aber auch viele andere Ecken des Landes erkundigt. Von Triest an der Slowenischen Grenze über Bozen im Südtirol und Turin am Fuss der Alpen bis nach Rom im Herzen des Stiefels und Siracusa auf Sizilien war ich kreuz und quer in Italien unterwegs und habe die Republik im Nachtzug erkundet.

Ein Liegewagen auf der Fähre nach Sizilien
Ein Liegewagen auf der Fähre nach Sizilien

Denn von vielen unbeachtet hat Italien ein dichtes Netz an Nachtzuglinien. Auf 15 Strecken verbinden die InterCity Notte der italienischen Staatsbahn Trenitalia den Norden mit dem Süden des Landes. Die Nachtzüge nach Sizilien nutzen dabei sogar die Fähre!

Die Züge sind günstig, zuverlässig und praktisch. Alle InterCity Notte haben Schlaf- und Liegewagen, abgesehen von den Zügen nach Sizilien sind ausserdem Sitzwagen angehängt. Die Wagen sind nicht die neusten, aber dank regelmässigen Renovationen besser im Schuss als viele andere Nachtzüge in Europa.

Zum Frühstück gibts im Schlafwagen eine Tageszeitung
Zum Frühstück gibts im Schlafwagen eine Tageszeitung

Auch wenn der Nachtzug in Italien für mich heute mehr Routine als Abenteuer ist, ein Hauch der kindlichen Vorfreude schwingt für mich bis heute mit, wenn ich wiedermal in Milano in den Schlafwagen nach Lecce steige.

Nur Tamtam macht der Zug unterdessen nicht mehr. Dank umfassender Sanierungen des italienischen Schienennetzes sind die Nachtzüge heute relativ ruhig unterwegs und das rhythmische Tamtam ist selten geworden.

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Über den Autor

Noam Schaulin hat mit dem Nachtzug bereits ganz Europa bereist. Als Teil des Zentralvorstands von Pro Bahn Schweiz setzt er sich für die Kund*innen des öffentlichen Verkehrs ein.

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